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Nikolaus Habjan: "F. Zawrel - Erbbiologisch und sozial minderwertig"

Foto: © Schubert Theater / Sabine Hauswirth
Friedrich Zawrel wächst in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts in Wien unter schwierigsten Umständen auf. Der Vater ist Alkoholiker, die Mutter kann die Familie, die bald als nicht mehr förderungswürdig eingestuft wurde, unmöglich alleine ernähren. „Wenn ich heute Bilder aus der dritten Welt seh, dann erinnert mich vieles an meine ersten Kinderjahre in Kaisermühlen. Wennst 10 Groschen ghabt hast, da warst ein Kaiser. Wann mei Mutter an Schilling ghabt hat, da ham sich sieben Leut’ satt essen kenna.“

Nach der Delogierung der Familie kommt Friedrich Zawrel zum ersten Mal in ein Heim. Nach mehreren Fluchten von seiner Pflegefamilie landet er schließlich in der Krankenanstalt Am Spiegelgrund, der zweitgrößten „Kinderfachabteilung“ des Deutschen Reiches, in der kranke, behinderte und vermeintlich erblich belastete Kinder und Jugendliche behandelt wurden und etwa 700 bis 800 Euthanasiemorde an Kindern stattgefunden haben. Der Anstaltsarzt Dr. Gross stuft Zawrel in einem Gutachten als „erbbiologisch und sozial
minderwertig“ ein und foltert und quält ihn mit zahlreichen „medizinischen“ Versuchen. Friedirch Zawrel kann mithilfe einer Krankenschwester aus der Anstalt fliehen.

Viele Jahre später will es das Schicksal, dass sich der Folterer und sein Opfer noch einmal begegnen. Friedrich Zawrel, dem von der Republik Österreich eine Ausbildung verwehrt wird, hat sich als Kleinkrimineller über Wasser gehalten. Dr. Heinrich Gross ist inzwischen eine anerkannte Persönlichkeit in Österreich. Seine medizinischen Forschungen an den Kindergehirnen der ermordeten Kinder aus der ehemaligen Nazieinrichtung, haben ihm zahlreiche Auszeichnungen eingebracht. Mittlerweile ist er Parteimitglied der SPÖ und erhält das Bundesverdienstkreuz für Wissenschaft und Kunst. Außerdem ist er der einflussreichste Gerichtsgutachter der Republik. In dieser Funktion sitzt er nun seinem ehemaligen Opfer Friedrich Zawrel gegenüber.

„Für einen Akademiker ham Sie aber ein schlechtes Gedächtnis“, antwortet Zawrel, als Gross ihn nicht erkennt. Als er für Zawrel dann das Gerichtsgutachten wegen eines Überfalls schreiben soll, zitiert er sich mit den Worten „erbbiologisch und sozial minderwertig“ selbst und sorgt damit dafür, dass Zawrel für viele Jahre in die Justizanstalt Stein gesperrt wird.Erst im Jahre 2000 kommt es nach vielen Bemühungen Zawrels zu einem Gerichtsverfahren, das aber wegen einer angeblichen Demenz von Gross eingestellt wird. Er kann sich an nichts mehr erinnern.

Zawrel hingegen verarbeitet seine Erlebnisse bis heute. Seine Erinnerungen und Erzählungen sind ein Zeitdokument von unschätzbarem Wert. Seine Vorträge in Schulen im ganzen Land haben tausende Schüler schockiert und gerührt. Und sie waren und sind Grundlage für zahlreiche Publikationen, Dokumentationen und Filme.

Das Figurentheaterstück „F.Zawrel – Erbbiologisch und sozial minderwertig“ entstand in enger Zusammenarbeit mit Zawrel selbst. Seine sehr persönlichen Gespräche, die er mit Puppenspieler Nikolaus Habjan und Regisseur Simon Meusburger geführt hat, dienten als Grundlage für dieses Projekt. Habjan schlüpft in dieser neuen Produktion nicht nur in die Rolle von Zawrel, sondern auch in die des Arztes Gross und durchlebt in einzelnen Stationen diese außergewöhnliche Geschichte. Ein Stück erlebbare Zeitgeschichte, die bis in die Gegenwart reicht.

Trotz der schweren Lebensumstände hat Friedrich Zawrel nie Rache gesucht, sondern war immer auf der Suche nach Verständnis. Wenn er erneut Kontakt zu seinem Folterer Heinrich Gross gesucht hat, so nicht um ihm Vorwürfe zu machen, sondern um ihn zu fragen: Warum?

Die Produktion erhielt den Nestroypreis 2012 in der Kategorie Beste Off-Produktion und den Schweizer Kulturpreis „Grünschnabel“ 2014!


Buch: Nikolaus Habjan und Simon Meusburger

Regie: Simon Meusburger

Puppenbau: Nikolaus Habjan
Kostüm: Lisa Zingerle
Photos: Barbara Pálffy

Dauer: 120 Minuten ohne Pause

Nikolaus Habjan
Der gebürtige Grazer schloss im Juni 2010 sein Studium der Musiktheaterregie an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien  mit der Inszenierung  Gian Carlo Menottis  The Medium mit ausgezeichnetem Erfolg ab.Bereits mit 15 Jahren sammelte er Erfahrungen mit dem Puppentheater. Durch Neville Tranter perfektionierte er seine Puppenspieltechnik. Zusammenarbeit mit dem Kabinetttheater King of the Birds / Queen of the Blood. Für das Opernfestival Sirene entwarf und baute er Puppen für die Kammeroper Das Gespräch der Hunde von C. Dienz. Im Schubert Theater realisierte Nikolaus Habjan seine erste  Puppentheater-Produktion Schlag sie tot. Aktuell ist er in den Puppentheaterproduktionen Der Herr Karl, Becoming Peter Pan – An Epilogue to Michael Jackson sowie in der Filmadaption Freaks zu sehen. F. Zawrel – erbbiologisch und sozial minderwertig, sein Solo-Stück in der Regie von Simon Meusburger wurde  mit dem Nestroy Preis 2012 als beste Off Produktion ausgezeichnet. Am  Burgtheater Wien spielt er in der Shakespeare-Sonette Produktion Fool of Love die von ihm gestaltete Shakespeare-Puppe.  Am Akademietheater wird im neuesten Bühnenstück von Elfriede Jelinek Schatten (Eurydike sagt) in  der Regie von Matthias Hartmann (Premiere Jänner 2013) die Figur der Elfriede von Nikolaus Habjan gesprochen und gespielt.


GASTVERANSTALTUNG

In Zusammenarbeit mit: LAUBE - Universität Salzburg - Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie und Land Salzburg

04/25/2017 07:30 PM
Stadttheater Hallein

Zur Zeit ist für diese Veranstaltung kein Online-Kauf möglich.

Spesenfreier Vorverkauf: Tourismusverband Hallein
25,00
20,00 ermäßigt *


* Ermäßigung erhalten gegen unaufgeforderte Ausweisleistung:

Schüler und Studenten bis 25